Selbstverliebtes Schulterklopfen, egozentrisches Provozieren, esoterisches Kalenderspruchapologieren und ehrliches Versagen – das scheint das aktiv postende und Content generierende Durchschnittsklientel auf LinkedIn zu sein. 

Was haben wir alle einmal das, im Vergleich zum langsam aussterbenden XING, doch viel aktivere LinkedIn als richtig gute Jobplattform gefeiert. Alles wirkte soviel munterer und frischer, tagesaktueller und irgendwie, ähnlich des „Lebens“ auf den anderen lebendigen sozialen Medien pulsierend. Auch wenn die Plattform, die bereits im Jahre 2003, also nunmehr vor lockeren 20 Jahren veröffentlicht wurde, schon ein echter Oldtimer in der Branche ist, erlebte sie gerade in den Corona-Jahren noch einmal einen rasanten Aufstieg und erreichte im deutschsprachigen Raum nie gekannte Popularität. Dass LinkedIn 2016 für 26,2 Mrd. Dollar vom Microsoft-Konzern vereinnahmt wurde, wissen wahrscheinlich nur die wenigsten. Tut auch nicht so viel zur Sache. Außerhalb des Fediverse sind ohnehin die wenigsten Plattformen ohne übermächtige, alles kontrollierende Inhaberinstanzen unterwegs. Und hier liegt eines der vielen Probleme. Alle diese weltweiten Gigakonzerne setzen auf die gleiche Karte zum Userbeiderstangehalten (UBDSH): Gottverfluchte Algorithmen!

ZUR ERINNERUNG:
Jenseits der zweifelsfrei sinnvollen Eigenschaften von Algorithmen z. B. in der Informatik oder der Elektronik, rufen wir uns kurz die Definition eines Algorithmus im Marketing ins Gedächtnis zurück, unter dem wir als User heute alle zu leiden haben:

„Ziel dieser Algorithmen ist es, die Anwender lange auf der jeweiligen Plattform zu halten und ihm solche Anzeigen einzublenden, bei denen die Wahrscheinlichkeit eines Klicks am höchsten ist. Der Begriff „Algorithmus“ fällt auch allgemein, wenn eine Software nach unbekannten, aber offensichtlich komplexen Regeln entscheidet. Beispielsweise, welche Ergebnisse von einer Suchmaschine angezeigt werden. Dabei schwingt häufig ein gewisses Unbehagen mit, eben weil der Algorithmus nicht transparent ist.“

Das Unbehagen ist real. Doch warum?
Der Algorithmus scheint vielleicht nicht transparent zu sein – in der Zurschaustellung dessen, was er uns zu konsumieren aufzwingen möchte, ist er dagegen offensichtlich wenig subtil. Und dass er das überhaupt macht, kann man ihm nicht vorwerfen. Das ist schließlich sein „Job“. Uns als User*innen hingegen kann man sehr wohl etwas vorwerfen, dass wir nämlich das Spiel kritiklos mitspielen und die Maschine, die uns so über kurz oder lang zu Tode nervt, selbst füttern. Und das mit Wonne und aus der Überzeugung heraus, dass wir uns damit einen Vorteil verschaffen. Menschen sind so.

CLICKBAIT – ÜBERALL NUR NOCH CLICKBAIT! 
Das war die – wie auch immer gearteten – Newsseiten im Netz schon seit Urzeiten praktizieren, nutzen nun – Algorithmus sei Dank – auch immer mehr Ottonormaluser*innen, um auf Seiten wir LinkedIn nach oben gespült und vermehrt angezeigt zu werden. Reißerische Headlines, provokante Thesen, dümmlich simple Fragen oder vermeintlich selbstkritische Eingeständnisse fluten die sozialen Medien – und hier gerade LinkedIn. Jeden Tag sieht man auf der Plattform – und wir waren uns doch einmal einig, dass sie ausschließlich dazu da ist, um sich selbst lobend auf die Schulter zu klopfen, wenn es schon kein anderer tut – Beiträge, in denen Menschen sich offenbaren, dass auch sie schon einmal einen Burnout hatten, Menschen schlecht behandelt haben oder aus lauter real gelebter Menschlichkeit falsche Entscheidungen im Job getroffen haben. Und nun – hey, wie wundervoll – haben sie endlich den Mut dazu, es uns, allen, der ganzen Welt zu sagen und das Ganze mit einem Emo-Zitat wie aus Omas Kalender-Mottenkiste abschließend zu garnieren. Die Selbstbezichtigung inklusive der anschließenden Läuterung zwecks lukrativer Aufmerksamkeitsgenerierung, ist so en vogue, wie einst die Ablassbriefe der Kirche im Mittelalter.

Genauso nervtötend praktiziert wird der Provokations-Move. Man postuliert eine Aussage, die genau das Gegenteil dessen aussagt, was man selber vertritt, nur um die ausgelöste Empörung in einen beherzten Klick auf „… mehr anzeigen“ zu verwandeln. Da wird weder vor rassistischen Aussagen zurückgeschreckt, noch vor AfD-Statements oder BILD-Schlagzeilen. Aber alles natürlich voll ironisch versteht sich. Man beschimpft die Generation Z in der Headline, nur um sich dann im Fließtext zur gegenteiligen Meinung zu bekennen. Man basht Bevölkerungsgruppen, um dann episch auszubreiten, warum genau diese Haltung verachtenswert ist.
Leute, wenn Ihr mit Eurer Meinung, dem was Ihr zu sagen habt, alleine nicht interessant genug seid, dann ist es vielleicht einfach so. Da hilft es auf Dauer auch nicht, das X kurzzeitig für ein U zu verkaufen.

Es nervt einfach nur noch! Und das Schlimmste ist, man braucht noch nicht einmal auf solche Beiträge zu klicken, denn man weiß ja von vornherein, wo der Meinungshase langlaufen wird. Das ist Clickbait das sich zum Clickfence entwickelt.

Mit diesem Verhalten seid Ihr nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems! Ihr seid willfährige Zuarbeiter für Algorithmen, denen Ihr egal seid. Ihr diskreditiert Euch und Eure, bestimmt ehrenwerte Meinung, ja sogar das Anliegen dahinter selbst. Liefert doch einfach mal im ersten Satz ein Argument, warum man den Text lesen sollte, und nicht bloß noch mehr Zündstoff für schlichte Erregung durch das ewige Wiederkäuen hassenswerter Zeilen. Dann wird vielleicht auch LinkedIn wieder etwas weniger vorhersehbar.