Samstag, 4. Oktober 2014. Der erste von den drei Tagen, auf die ich seit 5 Monaten warte wie ein 5-Jähriger auf seinen Geburtstag, ist gekommen. 
Vor mir liegen sage und schreibe 4 Konzerte meiner Lieblingsband Boysetsfire, jener amerikanischen Post Hardcore-Legende die diese anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens exklusiv zum Dank an die treue europäische  – und hier speziell die deutsche – Fanbase geben. An drei Abenden hintereinander (3 mal jeweils Hamburg, Köln, Berlin und Wien) werden drei Schlüsselalben der Band zu Gehör kommen. Und wer BSF kennt weiß, dass das Gehör hier zusammen mit Hirn und Herz am Meisten wird leisten müssen.
Die ersten 3 umjubelten Konzerte in Hamburg liegen bereits hinter der Band und so sitze ich bei einem Weizenbier in Köln, ich Rebell, und fiebere dem ersten Abend entgegen, welcher „After The Eulogy“, dem Meisterwerk von 2000 gewidmet sein wird. Während ich mit Grausen die „Du siehst schon wieder Scheiße aus“-Gesänge der bereits um 19 Uhr volltrunkenen Menschen am Nachbartisch ertragen muss, höre ich vor meinem geistigen Ohr schon den legendären Schlachtruf, der mir in etwa dreieinhalb Stunden im verschwitzten Bürgerhaus Stollwerck die Gänsehaut auf den gesamten Körper zaubern wird, wie er es schon so lange und seitdem immer tut: RISE!
Ich weiß, es ist vermessen, aber dennoch kann ich mich des moralisch überlegenen Gefühls gegenüber den Behelfs-Micki Krauses am Nachbartisch nicht erwehren. Sogar Mitleid für diese armen Menschen striff gerade meinen Gefühlskanon. Es ist dieses erhabene Gefühl, in Erwartung eines Ereignisses zu erschaudern, dessen Größe und Schönheit, die RTL II Fraktion nebenan niemals wird begreifen können. Wohl wissend, dass jeder Musikgeschmack rein subjektiv ist und sie diese, meine Musik ohnehin nur als Krach wahr nehmen würden. Aber das ist jetzt egal. Dieser Abend gehört in meiner kleinen, das Erhabene, die Meinung, die Haltung feiernden Welt nur dieser Band und ihren Fans. Ich Musikfaschist, ich. Heute bin ich einfach nur Fan und als solcher gibt es nichts was gerade geiler sein könnte, als hier zu sein.
Ich freue mich auf die Jungs, den Schweiß, den Lärm, die Gemeinschaft, das Geschrei, die Emotionen, die Melodien, die gegen das Schlechte gerichtete Brutalität, die das Zerbrechliche feiernde Zartheit, die das Schutzlose in den Arm nehmende Poesie und auf jede einzelne Sekunde. Schrieb ich noch vor 2 Jahren hier von meiner dummen Angst, zu viel zu erwarten, muss ich an dieser Stelle gestehen, es ist scheißegal, was ich erwarte. Boysetsfire sind eine der wenigen Bands, die mich noch nie enttäuscht haben, egal wie ich drauf war, als ich zum Konzert ging. Und so weiß ich, der Raum wird – wie immer – klein und eng sein. Die Luft wird – wie immer – heiß und stickig sein. Aber die Gesichter werden – wie immer – voller Euphorie sein. Vorher, währenddessen und danach.
Es gibt nicht viele Bands, die es schaffen mit ihrer Musik, ihren Texten Liebe und Aggression zu vereinen. „Meine Jungs“ schaffen das mühelos mit einem Lächeln. Das ist keine Zweckgemeinschaft, das ist der Geist des Hardcore, wie er sein sollte.
Auf geht’s.