„SKYSCRAPER“

Da sind wir also wieder einmal in der Abteilung „Musik kann Leben retten“.

Es gibt diese Songs für, ich möchte beinahe wetten, fast alle von uns. Und weiterhin würde ich behaupten, dass die meisten Menschen in unserem Kulturkreis derer sogar mehrere haben. Der eine denkt bei einem bestimmten Song an die erste Liebe, für die andere bringt spezielle Musik das perfekt erlebte Urlaubserlebnis für den Moment zurück. Wieder andere kommen nur durch den Alltag, weil sie genau diese eine Hookline mit genau diesem einen Text im Herzen tragen, was immer sie auch tun. Musik ist magisch. Musik gibt Energie. Musik rührt zu Tränen. Musik macht Mut. Musik ist ein Freund. Musik kann beinahe alles.

„Skyscraper“ also.

Für mich persönlich ist „Skyscraper“ vor allem textlich einer der wichtigsten Songs meines Lebens (und ja, derer gibt es auch bei mir so einige, und jeder einzelne davon, hat eine andere Funktion). Zentral für das, was der Song in mir auslöst, sind die folgenden beiden Zeilen:

„I know why you tore it down that day

You thought that if you got caught, we′d all go away“

Dieser Song, im Original von Bad Religion als 13. Track auf ihrem 1993er Album „Recipe For Hate“ veröffentlicht und geschrieben von Brett Gurewitz, begleitet mich seit dem ersten Hören beständig durchs Leben. Es ist dabei beileibe nicht so, dass ich den Song ständig hören würde, aber immer wenn ich ihm begegne, egal wann und egal wo, löst er das gleiche schaurig wohlige, nachdenkliche, melancholische und Gänsehaut erzeugende Gefühl in mir aus. Das war schon so, als wir ihn im Moshpit live abgefeiert haben. Allerdings war es damals noch ein sehr diffuses Gefühl, etwas das ich genießen aber nicht benennen konnte.

Erst als ich 2022 eines abends, bei einer späten Hunderunde im Dunkeln mit Kopfhörern umherstreifend, durch puren Zufall auf die akustische und sehr fragile Coverversion des Songs von Matze Rossi und Nathan Gray stieß, wurde mir plötzlich, wirklich schlagartig klar, was es war, das mich schon so lange im Banne dieses Songs bewegte. Wie aus heiterem Himmel erkannte ich, emotional aufgeladen und völlig überraschend, dass ich aus den Zeilen von „Skyscraper“ in nur ein paar Worten das Wesen meines Vaters heraushörte – und wohl schon immer herausgehört hatte. Allein diese beiden Textzeilen, an denen ich immer und immer wieder hängen blieb, brachten mir die Art meines Vaters auf seine eigene Welt – und hier besonders auf uns als seine Familie – zu blicken emotional so nah, dass ich es kaum glauben konnte.

Auf eine unglaublich liebevolle Art und Weise, hatte mein Vater seine eigenen Bedürfnisse oftmals in den Hintergrund gestellt, wenn es darum ging, dass es seinen Lieben gut gehen sollte. Im Film kennt man das, wenn der Held diesen klischeehaften Satz sagt „Ihr bringt Euch in Sicherheit, ich halte sie auf!“. Ich habe es damals in den konkreten Momenten gar nicht so klar realisiert, das kam immer erst etwas im Nachhinein. Er wollte auch nicht, dass wir es bemerkten, weil es für ihn selbstverständlich war so zu handeln und er mit offenem Schulterklopfen oftmals ebenso wenig klarkam, wie ich selbst. Am Ende geht es auch hier einfach um Liebe. Er wollte uns einfach beschützen. Und das hat er auch getan, auf so viele Arten.

Der Funfact in diesem Fall ist vielleicht, dass der Text sich thematisch um den Turmbau zu Babel dreht, also so gar nichts mit dem zu tun hat, wofür diese beiden Zeilen für mich persönlich stehen, wie ich sie interpretiere. Aber ist es so nicht ganz oft bei der Rezeption von Kunst? Sollte Kunst nicht genau das verursachen, dass wir die Geschichte weiterspinnen, Teile von ihr aufgreifen und uns zu eigen machen? Ich denke großartige Kunst sollte so etwas leisten. Und sie kann es!

Ich habe den Song auf dieser Hunderunde immer und immer und immer wieder gehört, so lang ist er ja auch nicht mit seinen gut 3 Minuten, und ich hatte dabei permanent Tränen des Glücks in den Augen und dürfte ziemlich bescheuert und beseelt gegrinst haben. Da hörst Du ein Lied, dass Dich schlicht immer schon begeistert hat seit nunmehr verdammten 30 Jahren und dann trifft Dich der Blitz der Erkenntnis und Du verstehst endlich, warum es so ist! Ich weiß nicht, wie oft ich den Song in dieser Nacht dann noch gehört habe, aber es waren Stunden. Seitdem weiß ich, dass mein Vater eben auch hier, in diesem Punkrock-Song, in diesen Zeilen bei mir ist. Und das ist unglaublich schön.

Und auch, wenn wir alle ja irgendwie nicht wollen, dass wir unseren Eltern allzu ähnlich werden, muss ich … darf ich … angesichts dieses Songs tatsächlich erkennen, ich bin ihm in vielen Dingen dann doch extrem ähnlich, trotz vieler auch wichtiger Unterschiede. Und das ist alles sehr tröstend.


Ich bin allen Beteiligten zutiefst dankbar für dieses Lied! 

SKYSCRAPER Lyrics

Come let us make bricks and burn them hard
We′ll build a city with a tower for the world
And climb so we can reach anything we may propose
Anything at allBuild me up, tear me down like a skyscraper
Build me up, then tear down these joining walls
So they can’t climb at all

I know why you tore it down that day
You thought that if you got caught, we′d all go away
Like a spoiled little baby who can’t come out and play
You had your revenge

Build me up, tear me down like a skyscraper
Build me up, then tear down these joining walls
So they can’t climb at all

Well, madness reigned and paradise drowned
When Babel′s walls came crashing down
Now the echoes roar, for story read that was hardly understood
And never any good

Build me up, tear me down like a skyscraper
Build me up, then tear down these joining walls
So they can′t climb at all