Ich wette, kurz vor Ende dieses Blogs werdet Ihr nicht erraten, worauf ich anfangs hinaus wollte. Ich gestehe auch, die Kurve ist abenteuerlich.  

Diskussionen über das Recht und die Pflicht zur Party (reminiszieren Sie mit mir bitte an dieser Stelle so ungleiche Bands wie die Beasty Boys und die Rodgau Monotones) auf die Seite schiebend, möchte ich – ein gefühlter Ritter der Ernsthaftigkeit – meine Lanze brechen. Ich tue dies im Angedenken eines bedrückenden Grundgefühls, welches ich als junger Mensch in den 80ern beständig mit mir herumtrug.

Wann immer ich mich entspannt und frei wähnte, haben mir die 80er dieses Unwohlsein eingepflanzt, dass eigentlich zu jeder Sekunde das Ende nicht nur nah, sondern bereits da sein konnte. Im Grunde war mir – und ich denke, ich war da nicht allein – die Möglichkeit eines Atomkrieges zu jeder Sekunde bewusst. Man kann sagen, ich hatte Angst. Nicht immer akut, aber unter der Oberfläche immer. Es gab viele Momente, da ich den Blick zum Himmel wandte, und irgendwie schlicht damit rechnete, dort einen hellen Blitz zu erblicken.

 Vielleicht haben Filme wie „The Day After“ ihren Teil dazu beigetragen, diese ohnehin vorhandenen Ängste zu schüren und zu verfestigen, die Bedrohung war jedenfalls so real, wie das Gefühl. Anfang der 90er hatte ich das erleichternde Gefühl, dass sich da weltpolitisch etwas entspannt, dass eine neue Generation die Ruder der Geschichte übernommen hatte. Gute, der erste Irak-Krieg zeigte bereits, dass wir nicht urplötzlich im Lummerland aufwachen würden, aber die Bedrohung der totalen Vernichtung Mitteleuropas schien mir doch vorerst abgewendet.

Ich habe nun seit ein paar Monaten aufgrund der geopolitischen Entwicklungen im Nahen Osten, in Gaza und natürlich auch in der Ukraine, leider einen kleinen Flashback, einen Nachhall, eine Rückkehr des Wissens um das Gefühl, welches mich so lange gequält hatte. Die Hybris ist wieder unterwegs. Die Waffen sind plötzlich flächendeckend wieder ein Mittel, seine Ziele zu erreichen. Das Säbelrasseln einer Seite wird derzeit durchaus mit einer exakt solchen Antwort bedacht, anstatt der Diplomatie, dem Wort selbiges zu reden.

In der Poesie der Vernunft siegt immer die Feder über jedes Schwert. Realpolitisch sieht es gerade danach aus, dass die Federn schon aus der Ferne von übergroßen Schwertern, gelenkt von überkleinen Geistern mit übergroßen Egos verbrannt werden sollen. Und plötzlich ist es wieder da. Dieses Gefühl, relativ hilflos zum Himmel zu sehen. Nicht dass ich derzeit den in den 80ern erwarteten Blitz zu sehen befürchte. Aber ich sehe gerade mit einiger Besorgnis, dass die Welt sich in ihren Spitzen wieder auf den Weg macht, anders Denkende, anders Glaubende, anders Lebende mit der Waffe davon zu überzeugen, dass die eigene Meinung – und sei sie noch so verblödet – die richtige Meinung ist.

Ich bin kein Hippie, kein verträumter Spinner, der sich der Hoffnung auch nur ansatzweise hingegeben hat, dass Menschen sich bezüglich ihres Verhaltens ändern würden, das sie seit Anbeginn ihrer Geschichte an den Tag gelegt haben, aber ich gestehe, ich hatte in der geschichtlich kurzen Zeit meines bisherigen Lebens die Hoffnung, dass die Vernunft ein wenig die Oberhand gewinnen könnte über Glauben, Strömungen und den puren Hass.

Nun – diese Hoffnung war unbegründet. Um aber nun mit der gebrochenen Lanze den Boden zurückzuschlagen zum „Fight for your right to party“ der späten 80er, muss ich einfach sagen, es gibt mir viel zu viel zu viel zu viel zu irre doll vom Mainstream-Radio beachteter Musiker, gerade hier in Deutschland, die einer fatalen Gemütlichkeit die Bühne bieten, die jegliches Bewusstsein für gesellschaftliche Reflektion vermissen lassen.

„Ja, er nun wieder!“, höre ich sie rufen, „muss denn immer alles politisch sein?“ – Nein, muss es nicht. Aber dann hört später auf zu jammern, dass Ihr Euch vielleicht auf lila Wolken und Nickelback verlassen habt, die Euch die Welt erklärt haben, als gäbe es ein Leben in einer schnittvermengten Blase aus RTLligem Dumpfsinn, feuchter Teeniepornografie und hier und da mal einem Tütchen. Wenn Euer höchstes Gut ist, einmal auf einem Bild von Virtual Nights aufzutauchen und sogar die Zurschaustellung in einem Reality Format der Privaten unerreichbar weit scheint. Wenn die Belanglosigkeit Inhalte vorgaukelt, sich einen festen Platz in Eurem Herzen gesichert, gekauft hat.

Ich sagte es anfangs. Es begann in den 80ern mit einem Gefühl. Ein Gefühl der Kälte. Nun sind wir 30 Jahre weiter und die Kälte hat sich manifestiert in einer gesellschaftlichen Leere, die das Desinteresse und die Betäubung als alltäglich gelebte Kultur geadelt hat.

Ein Hoch von meiner Seite auf alle Künstler, an alle Menschen, die sich diesem Stumpfsinn widersetzen, die selber denken und ihre Kraft wahrscheinlich gerade aus der allgegenwärtigen Betäubung schöpfen. Ja, es klingt blöd – stimmt – aber dagegen sein war meiner Ansicht nach noch nie so sinnvoll wie derzeit. Es gibt Schafe und es gibt Schlachtbänke. Und es gibt andere Wege.

Ich will mich auf jeden Fall nie wieder so wehrlos fühlen, wie in den 80ern!

Ein Zitat: „Ich finde, wir müssen mit Stil untergeh`n“ – Pascow